Siggi
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Warum wir den Wonderbra lieben und den Chairman verachten |
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Englische Synonyme sind selten treffend, oft unverständlich und manchmal auch lächerlich. Trotzdem tauchen sie in vielen Texten regelmäßig auf. Ein Aufruf zum Verzicht auf ärgerliche Ersatzwörter.
Neulich war in ein- und demselben Bericht des „Handelsblatts“ die Rede von einer Airline , von Low-Cost-Carriern und Check-in-Prozessen , die „Gala“ schrieb in einem Artikel von Timing , von einem Newcomer und einem Highlight . „Brigitte“-Leser wurden mit einem Hideaway beglückt, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ war von einem Developer zu lesen, die „Welt am Sonntag“ berichtete von Feedback , die „Süddeutsche Zeitung“ von einem Chairman . Zehn Beispiele völlig überflüssiger Anglizismen, die tagtäglich in deutschen Zeitungen und Zeitschriften stehen. It makes you fassungslos.
Nun sind Anglizismen (und Amerikanismen) im Zeitalter der Globalisierung allgegenwärtig auch in der deutschen Sprache, und es wäre falsch, sie pauschal zu verdammen. Genauso falsch wäre es aber, sie kritiklos gutzuheißen oder gar als Ausweis von Modernität zu preisen.
Wann also sind Anglizismen angebracht? Erstens wenn sie eine Bereicherung des Deutschen darstellen. Das ist dann der Fall, wenn sie eine Wortlücke schließen, es also keine deutsche Entsprechung mit eben dieser Bedeutung gibt. Kostproben hiervon sind fair und Jeans , Design und Trend , Couch Potato und Wonderbra .
Zweitens sind Anglizismen dort vertretbar, wo sie im allgemeinen Sprachgebrauch seit langem gleichberechtigt mit deutschen Entsprechungen verwendet werden: Team (Mannschaft), Blazer (sportliches Jackett), Lift (Fahrstuhl) sind treffende Beispiele.
Überflüssig sind Anglizismen aber, wenn sie ein gebräuchliches und verständliches deutsches Wort verdrängen. Der Verein Deutsche Sprache geht hier von einer 80-Prozent-Quote aus, acht von zehn Anglizismen sind danach also entbehrlich. Fluggesellschaft und Billigflieger klingen in der Tat klarer als Airline und Low-Cost-Carrier , statt Highlight heißt es auf gut Deutsch Höhepunkt, statt Feedback Rückmeldung, statt Hideaway Hotel-Geheimtipp. Vokabeln wie Meeting (Treffen), Run (Ansturm), Store (Laden, Geschäft), Counter (Tresen, Schalter) sind ebenfalls nicht notwendig, weil es treffende deutsche Ausdrücke bereits gibt. Und auch bei vermeintlich geläufigen Anglizismen wie Swimmingpool und Computer empfiehlt sich ein kurzes Nachdenken über Schwimmbecken und Rechner.
Von Globalisierungsfreunden hört man oft, Anglizismen seien modern, ein Beweis für Weltoffenheit. Doch ist es wirklich modern, Begriffe zu benutzen, die ein nicht geringer Teil der Leser nicht auf Anhieb versteht? Nein. Es ist überheblich. Hier wird modern mit dem Hereinfallen auf eine Sprachmasche verwechselt.
Auch das Argument der angeblichen Weltoffenheit zieht nicht, schließlich sind deutschsprachige Texte trotz Globalisierung für deutschsprachige Leser verfasst und nicht für englischsprachige – wem also soll mit Anglizismen Weltoffenheit bewiesen werden? Den Engländern und Amerikanern, die deutsche Texte gar nicht lesen? Wohl kaum. Kurz: Von sprachlichen Einzelfällen abgesehen sind Anglizismen Bullshit , Verzeihung: Bockmist.
Sönke Krügers Kolumne "Wortgefecht" lesen Sie jeden zweiten Montag auf WELT ONLINE - oder hier .
Artikel vom 24. September 2007
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